Die Zustimmung der Grünen zum ESM – dem „Euro-„Rettungsschirm“ für in Not geratene Staaten der Europäischen Union – in der kommenden NR-Sitzung ist vor dem Hintergrund langwieriger Verhandlungen mit der Bundesregierung über dessen Ausgestaltung zu sehen: die Umsetzung von Art 136 der EU-Verträge benötigt eine 2/3-Mehrheit, die Grünen sind aufgrund der Verweigerung von FPÖ und BZÖ, konstruktive europapolitische vorschläge zu machen, das Zünglein an der Waage.
Die Wiener Grünen haben mitgearbeitet an Bedingungen für den ESM, formuliert auf einem Bundeskongress im Oktober: Sofortmaßnahmen auf europäischer Ebene wie ein geordnetes Entschuldungsverfahren für insolvente Staaten, Einführung einer Finanztransaktionssteuer und Eurobonds, eine europäische Steuerharmonisierung sowie die Einführung einer Vermögenssteuer und einer reformierten Erbschafts- und Schenkungssteuer. Auf dieser Basis wurde seitens der Grünen engagiert mit der Bundesregierung verhandelt. Das Ergebnis: eine europaweit einzigartige Mitsprache des Nationalrats beim ESM (zB bei bei Hilfszusagen bzw Aufstockung des Rettungsschirms), die private Gläubigerbeteiligung im ESM und ein Bankeninsolvenzrecht. Weiters beschloss die Bundesregierung auf Druck der Grünen, für europäische Zukunftsinvestitionen in Klimaschutz, erneuerbare Energie, Schieneninfrastruktur und Green Jobs einzutreten. Fortschritte erzielt wurden in der Frage der Abhaltung eines europäischen Konvents zur Zukunft Europas mit NGOs.
Die nunmehrige Zustimmung der Grünen zum ESM ist somit als Beitrag zu mehr Solidarität zwischen wirtschaftlich starken und schwachen Mitgliedsländern zu sehen und bedeutet keinesfalls die Zustimmung zum Fiskalpakt, im Gegenteil: dieser ist verheerend und führt die EU direkt in Rezession und Massenarbeitslosigkeit. Wir Grünen kämpfen im Europaparlament, in Ö und in Wien für einen Pakt für Wachstum und Beschäftigung, eine Sozialunion und europaweite Volksabstimmungen. Ob allerdings „Nein zum Fiskalpakt – Ja zum ESM“ (letzteres wird von vielen Wiener Grünen kritisch gesehen, auch ich habe „Bauchweh“; siehe dazu den Kommentar von Albert Steinhauser, Abg zum NR) eine den Wählerinnen und Wählern und pro-europäischen EU-KritikerInnen einfach zu erklärende Strategie ist, werden wir wohl erst in einer Nachbetrachtung in einigen Monaten – spätestens bei der Europawahl – wissen. Der Erfolg der geführten Verhandlungen wird in erster Linie von der Greifbarkeit der Ergebnisse abhängen: gehen die mühsam errungenen Zugeständnisse der Bundesregierung über einfache Absichtserklärungen bzw in den relevanten EU-Gremien ohnehin einsam verhallende Ankündigungspolitik hinaus? Wir werden sehen, inwieweit die Regierungsparteien auch nach der Abstimmung im Nationalrat Handschlagqualität beweisen und in EU-Gremien glaubwürdig für einen Kurswechsel in Richtung Grünes Wachstum und Beschäftigung sowie eine Europäische Demokratie eintreten.
Was wir als Grüne jedenfalls wieder einmal gezeigt haben, ist Hartnäckigkeit und Verhandlungsbereitschaft. Europa ist uns nicht egal und wir verweigern uns einer konstruktiven Gestaltung auch aus der Opposition heraus nicht. Ein Ergebnis mitzutragen, auch wenn das Glas nach so mancher Einschätzung nur halb voll ist, gehört zum Verhandeln nun mal dazu. Das Ergbenis muss aber unseren WählerInnen entsprechend erklärt werden: Wichtig ist und bleibt: die Grünen leisten glaubwürdig Widerstand gegen die neoliberale Kamikaze-Politik einer Angela Merkel und schmieden dafür durch Druck auf die Bundesregierung europaweite Allianzen. Für ein mehr an Europa – für ein anderes Europa.